Archiv des Autors: Biegenzahn

#336: Großmutter

In meiner Erinnerung war meine Großmutter immer eine Dame. Sie trug nicht nur ihre Handschuhe abgestimmt auf Hut und Tasche, ihre Schuhe und ihre Kleider waren immer in Perfektion auf einander abgestimmt. Als meine Großmutter starb, verlor ich einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben, nicht nur, weil sie meine Großmutter war, sondern so viel mehr.

Aber darum geht es mir jetzt gar nicht. Als ich meinen Vater um die Geburtsurkunde meiner Großmutter bat, da ich mit meinem Bruder Familiengeschichte schnuppern wollte, fiel mir auch die Geburtsurkunde ihrer Tochter Ingrid in die Hand. Ich wußte zwar, dass unser Vater noch eine unbekannte Schwester hatte, aber nie wirklich mehr. Meine Oma hat nie über sie gesprochen und ich erfuhr erst nach ihrem Tod von diesem Mädchen. Es hieß, dass sie sie zur Adoption freigegeben hatte, da meine Großmutter als geflüchtete Sudetendeutsche, selbst noch jung und neu in einer ihr unbekannten Stadt nicht in der Lage war ein Kind groß zu ziehen. Jetzt beim Stöbern durch die alten Dokumente, die alleine durch ihr verblichenes Papier und die schöne geschwungenen Handschriften schon zum Erzählen verleiten, stieß ich auf einen kleinen A5 Zettel und einer Heiratsbestätigung zwischen dem Kindesvater von Ingrid und meiner Großmutter.

Nicht einmal mein Vater wußte davon und ihm ist dieser kleine Zettel auch nie aufgefallen, so winzig und klein und doch so bedeutsam. Für uns Frauen ist es heutzutage nicht vorstellbar, dass der Mann es erlauben musste, dass eine Frau arbeitete oder gar wirtschaftlich eigenmächtig handeln konnte, zu der damaligen Zeit war es so. Und auch bei Trennungen bzw. Scheidungen lag das Machtverhältnis oft so, dass der Vater der Mutter das Kind entziehen konnte. Ohne meine Großmutter idealisieren zu wollen, weiß ich gerade durch die Erzählungen meines Vaters und auch Onkels, wie sehr sie immer um ihre Kinder gekämpft hatte, alles zu ihrem Wohl (ob manchmal gut oder schlecht) tat und sie somit gar keine Wahl hatte, als ihr Kind zu verlieren.

Leider hat sie selbst nie darüber gesprochen, vielleicht aus Angst darüber verurteilt zu werden. Oder auch aus Angst vor den Schuldgefühlen, dem Verlust der verlorenen Jahre und der Erinnerungen. Wir leisten es uns heute zu klagen, wie schlecht es uns heute geht und in welcher Welt wir heute leben. Ich denke, dass wir leider viel zu oft vergessen, dass es noch keine 100 Jahre her ist, dass Frauen keine bis wenige Recht besassen und sich unsere Welt in einer unsicheren Zeit befand.

#335: fehlende Inhalte

Am 15.10 entscheiden wir Österreicher über die Zukunft unserer nächsten Regierung. Ich versuche bewußt nicht zu sagen, dass wir über die Zukunft unseres Landes entscheiden, da es unsere Demokratie in Frage stellen würde. In Österreich wählt Mann und Frau alle 5 Jahre und somit haben wir alle 5 Jahre die Möglichkeit unsere Entscheidungen zu überdenken und zu korrigieren, wenn es notwendig erscheint. Dieser Absolutismus der in der medialen Berichterstattung herrscht, ist schon sehr erschreckend und vermittelt mir das Gefühl einer Selbstinszenierung, die jedoch völlig alle Sach- und Fachthemen ausklammern.

Ähnlich den Facebook und Instagram Profilen der Generation Y und Z, während die einen noch nach ihrem Sinn suchen und dies jedem mitteilen wollen (wie glücklich sie nicht in dieser unglücklichen Welt sind), so sind die anderen süchtig nach den dopamimausschüttenden Likes ihrer Accounts. Ein Sittenbild spiegelt der derzeitige Wahlkampf der Großparteien wieder.

Inhalte suche ich vergeblich und wenn dann werden sie mit anderen Themen überlagert, die nur auf Angst und Hemmnisse abzielen. Und Themen haben wir viele.

Und natürlich sorge ich mich, was die nächsten 5 Jahre für mich, meine Kinder und auch die Gesellschaft bringen werden. Angst habe ich trotzdem nicht. Auch diese 5 Jahre werden vergehen und uns lehren was Demokratie bedeutet.
Und die Globalisierung und ihre Effekte werden nicht vor der Grenze Österreichs stehen bleiben mit den Worten „Du kummst da nicht rein.“, auch wenn uns das Manche glauben lassen. Und Globalisierung hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaftsstruktur, sie zeigt die Ungleichheit und obwohl es uns besser geht denn je, sehen eben alle anderen auch, wie gut es uns geht. Wir sind alle reicher und gesünder und doch … die Kehrseite zeigt ihre hässliche Fratze in der Form von Korruption, Populismus, Landflucht, Wirtschaftskrisen und Immobilienkrisen …
Und auch andere Themen wie die Digitalisierung, die mit der Globalisierung einhergeht, ist ein immanent drängendes Thema.

Gesundheit, Bildung, Wohnen und gesellschaftliche Veränderungen und Trends sind ausgeblendet und verdrängt von Themen wie Lug und Betrug. Lug in Form von Fakeseiten, wie die Wahrheit über, Unzensuriert, die Fans von oder dem Spätzünder oder der Betrug vom Flüchtling, dem Nicht-Leistungswilligen (ganz gleich warum), dem Betrüger am sozialen System.

Am 15.10. werde ich wie bei jeder Wahl um 17 Uhr vor dem Fernseher sitzen und darauf hoffen, dass viele ÖsterreicherInnen ihre Wahlmöglichkeit wahrgenommen haben. Auf mehr kann und will ich gar nicht spekulieren. Da Demokratie nun einmal die Herrschaft des Volkes bedeutet.

#334: Trauer

Gestern war ich bei meinem ersten Begräbnis nach muslimischer Tradition. Bei der rituellen Waschung war ich nicht dabei, aber dafür anschließend als der Sarg gebracht wurde und der Imam mit seinem Glaubensritual begann und sich Männer und Frauen dafür in zwei Gruppen trennten, erinnerte es mich stark an die orthodoxe Messe, der ich damals bei meiner Großmutter beiwohnte. Wobei ich mich bei solchen Ritualen oder gar Messen jedweder religiösen Richtung wenig bis gar nicht auskenne und auch immer ein großes Unbehagen verspüre, wenn ich merke, dass ich unangepaßt agiere.

Trotzdem haben mich 3 Gesten, ohne die gesprochenen Worte zu kennen, berührt, da sie so einfach sind und doch Wirkung hinterlassen. Die erste Geste war als die Menschen ihre Hände, wie zum Ruf oder Zuhören an ihre Gesicht hielten und zwar in Richtung des Sarges. So als ob man genau hinhören will oder eben noch etwas der Person zusendet. Die zweite Geste war ein symbolisches Abwischen/Wegwischen vom Gesicht. Es erinnerte mich daran, dass wir die Tränen wegwischen sollen. Die letzte Geste spiegelte das „Hinauffahren“ in den Himmel wieder, oder es erinnerte mich stark daran. Alle hielten ihre Hände bzw. Arme von sich gestreckt, die Handflächen nach oben, als ob man darauf wartete, etwas zu erhalten oder hinaufzusenden. Mag sein, dass eigentlich alle Gesten etwas ganz anderes bedeuten oder vielleicht auch gar nichts, es ist nicht wichtig.
Wichtig ist für mich, dass diese Gesten mich dazu gebracht haben, darüber nachzudenken und darüber nachzudenken, ob ich noch etwas zu sagen hätte, ob Trauer und wieviel Traurigkeit gut ist.

Was ich für mich weiß ist, dass Traurigkeit und Trauer eine legitime Ausdrucksweise ist, um Abschied zu nehmen, aber auch um zu spüren, nachzuempfinden, was ist und was eben nicht mehr ist. Bei der Rückfahrt sagte meine Tochter, das es so surreal ist und nicht greifbar, da vor 2 1/2 Wochen sie noch bei Gökce in der Küche saß. Wie kann das einfach nie wieder sein. Und diese Trauer verbindet uns auch wieder, wir fühlen mit-einander ein Mit-Dasein, wie Heidegger es beschreibt, dass uns zu sozialen Wesen macht. Und auch wenn wir sagen, dass das Gefühl von meiner Tochter und mir doch unterschiedliche Emotionen sind, so können sie wir unter einem Dach miteinander teilen und dieses Teilen gibt Kraft, weil man sich nicht so alleine fühlt.

Ich habe in den letzten Jahren mehrere „Papers“ (neudeutsch für wissenschaftliche Arbeiten) zu Trauer geschrieben und rational verstehe ich Trauer wirklich gut, und auch als ich damals versucht habe nachzuempfinden, wie es für mich wäre, wenn ich meine Kinder nicht aufwachsen sehen würde, nicht ihren Weg der Liebe, des Scheiterns, des Glücks begleiten dürfte, hat mich damals schon so unendlich traurig gemacht, aber das reale Gefühl jetzt, vermittelt mir eine andere Form der Tiefe. Und ich kenne Trauer, so habe ich meine Großmutter schon mit 14 bei ihrem Krebsleiden begleitet und sie dadurch verloren, meine beste Freundin mit damals 25 Jahren und auch meine andere Großmutter erst vor ein paar Jahren, so ist der Tod immer wieder unerwartet erwartet. Eigentlich fast schon unverschämt.

Ich liebe ja die Figur von Terry Pratchett Scheibenwelt, der eigentlich ja nur seinen Job macht und nicht versteht, was jedermann und -frau gegen ihn hat. Und so sagt er auch: „Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur mich.“ (Terry Pratchett, Gevatter Tod)

#333: Gökce

Wie faßt man einen Abschied in richtige Worte? Gibt es dafür überhaupt Worte, die beschreiben können, wie traurig, hilflos und wütend ich mich fühl(t)e?

Ich habe am Freitag meine letzten Worte an meine Freundin Gökce in die Tat umgesetzt. Als sie noch gesund war sind wir gerne tanzen gegangen, free-style und mit voller Leidenschaft und es war uns ganz gleich, ob die Tanzfläche voll oder leer war. Ich erinnere mich noch, als wir im technischen Museum ganz alleine auf der Tanzfläche waren und zu Disco und 80er Jahre Musik getanzt und gesungen und mit weiten Armen das Leben umarmt haben, weil es ging.

Am Freitag habe ich zu ihr gesagt, dass sie für mich dort, wo sie hingeht für mich abtanzen soll, so wie wir es früher getan haben. Sie hat gelächelt. Am Freitag bin ich am Abend, nachdem ich fahrig und unruhig in der Wohnung herumgelaufen bin, ins Orpheum gegangen und habe zu Disco und 80er getanzt, manchmal mit Tränen in den Augen oder auch wütenden Schritten, aber ich habe getanzt und gesungen. Meine Arme konnte ich nicht ausbreiten, es ging einfach nicht.

Am Freitag habe ich am Heimweg viele Erinnerungen hervorgeholt, viele Gute und auch viele nicht so Gute, als wir auch weniger miteinander redeten. Gott sei Dank haben wir die letzten 3 Jahre sehr viel miteinander gesprochen, seitdem die Diagnose „begrenztes Zeitfenster“ bekannt war. Und Gökces‘ Kampf war unglaublich, immer noch ging ein bißchen mehr und länger, nur um soviel Zeit als möglich mit ihren Kindern zu haben.

Am Freitag habe ich dich zum letzten Mal im Spital besucht, und es macht mich glücklich dich zum „Lachen“ gebracht zu haben die letzten Tage. Das war ein Teil meiner Rolle, nicht weinen und trauern für das was wir verlieren, sondern da zu sein für dich und dich abzulenken, das Leben nicht so ernst zu nehmen. Ich habe dann trotzdem geweint, aber so, dass du es nicht gesehen hast.

Am Freitag habe ich mich verabschiedet von unserer gemeinsamen Zeit, aber nicht von unserer Freundschaft, die lebt weiter in deinen zwei Kindern.

#332: Der Sommer ist wohl vorüber

Nicht nur, dass es regnet und ich seit gestern dieses Bedürfnis verspüre mich unter eine kuschelige Decke mit Tee und Buch zu verschanzen, so ist es auch die Tatsache, dass ich eine Kürbiscremesuppe – die übrigens ausgezeichnet geworden ist – gekocht habe, die mir vor Augen führt, dass ich im Herbst angekommen bin.

Der erste untrügerische Hinweis kam aber nach der Rückfahrt von Jesolo am 02. September als ich in Villach aus dem Auto ausstieg und in meinen Flip Flops fror (bei 12 Grad) und meine Zehen Uboot spielen durften. Aber trotzdem der Umstieg von Warm auf Kalt und Italien auf Schule und Pasta auf Suppe immer ein wirklich harter ist, so liebe ich es die letzten Tage vor dem kommenden alltäglichen Wahnsinn in Italien zu verbringen.

Diesmal sogar etwas verändert, da wir bevor wir an den Strand von Jesolo fuhren noch das Friaul entdeckten. Auf dem Weingut Colutta gibt es ein paar Appartements und noch wesentlich wichtiger für die Kinder einen Pool. Nicht nur, dass der Weinbauer ein Apotheker ist, der sich nur akademisch der Familientradition beugte, so ist er es auch leidenschaftlich und versucht vor allem traditionelle Trauben, wie den Ribolla Gialla oder Schiopettino, anzubauen. Am zweiten Tag lud er uns alle gleich zu einer Verkostung ein, selbst die Kinder durften ihre Nasen und Zungen in die Gläser stecken. Zu sehen und zu schmecken wie Wein geerntet und verarbeitet wird, ist ein Erlebnis und noch viel beeindruckender wird es, wenn auch der Weinbauer mit so viel Liebe und Engagement von seinen Nachhaltigkeitsprojekten spricht.

Somit um eine Erfahrung reicher und auch Friaul hat wunderbare Orte zu entdecken, sei es Cividale des Friuli, wo man einfach einen Schlüssel in die Hand gedrückt bekommt und sich kostenlos Katakomben ansehen kann. Und wer Glück hat, so wie wir, besucht am 4ten Sonntag im Monat den „il baule del diavolo“. Einen Markt voll mit Antiquitäten und alten Gebrauchsgegenständen, aber ohne den fernöstlichen Kitsch, den man heute auf Flohmärkten findet. Dieser Markt zieht sich durch die ganze Stadt und ist ein Erlebnis für sich. Dazwischen setzt man sich am besten in ein kleines Café und genießt das Treiben der Italiener.

Am besten genießt man Italien sowieso immer bei Café, Wein und gutem Essen und das wissen mittlerweile auch Kind 1 und 2 zu schätzen und sind entweder auf der Suche nach dem besten Tiramisu, Gelatto oder Pasta al Ragu.

#331: es ist so weit

Vorgestern hielt ich meiner Prinzessin die fast neuen schwarzen Sneakers unter die Nase und sagte:“So will ich, dass die Schuhe aussehen.“

Davor bin ich mit Schuhputzzeug bewaffnet und der Glanzbürste in der offenen Türe gesessen und habe die Schuhe geputzt. Eigentlich eine traumatische Erinnerung für mich, da mein Vater seine und unsere Schuhe wöchentlich putzte, ganz gleich, wie schmutzig oder sauber sie waren. Weil seine Schuhe waren immer sauber und glänzend, während die Meinigen und die von meinem Bruder im Staubmantel eingehüllt waren und immer so grau-schwarze Flecken aufwiesen. Und jedes Mal nach diesem Putzen, welches wir von der Aussenlinie mitansehen mussten, damit wir auch lernen, wie das Schuhputzen funktioniert, sagte mein Vater: „So will ich, dass die Schuhe aussehen.“ Und jedes Mal verdrehte ich gefühlt tausend Mal die Augen, weil ich mir dachte, dass sie doch eh gleich wieder in Staub gehüllt sind.

Und dann passiert mir das! Ich übernehme diese Angewohnheit meines Vaters, der seine Schuhe selbst jetzt noch regelmässig putzt, die er anscheinend schleichend in mich eingepflanzt hat. Es passierte langsam und ohne jeglichen Hinweisen. Ich merkte einfach, dass nachdem meine Prinzessin die gleiche Schuhgröße, wie ich hat, es mich störte, dass wenn sie meine/unseren Sneaker anzog, sie sowohl ausgebeult als auch schmutzig waren. Ok, ich schlupfe auch gerne in zugemachte Schuhe hinein, aber ich mache das vorsichtig, glaube ich zumindest. Wenigstens das hat sich nicht geändert.

Der Schuhputz-Fetischismus hat sich zumindest nicht zur Gänze übertragen. Ich verwende keine Strecker und fahre auch nicht durch Wien, um Colonil (wer es noch kennt) zum Putzen zu kaufen. Aber wenn ich meinem Papa erzählen würde, dass ich für die Innensohle bei Sommerschuhen eine Pflege habe, wäre er wahnsinnig stolz auf mich, weniger, dass ich sie kaum bis selten nutze. Überhaupt bin ich viel lockerer, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. Nur wenn die Prinzessin meine Schuhe ausborgen will, dann hole ich gerne die Weisheiten meines Vaters hervor.

#330: kleine Schritte und Riesensprünge

Ich habe kein neuro-typisches Kind, dass ist der fachliche Ausdruck dafür, dass der Jr eben anders tickt, als eben typische Kinder. Und das bedeutet, dass wir uns in sehr kleinen Schritten vorwärts bewegen, was soziale Kompetenzen und das Erlernen dieser betrifft. Und eigentlich sind es gar keinen kleinen Schritte, aber als Elternteil mit einem nicht neuro-typischen Kind ist man einfach vorsichtig, hat Angst davor sich zu sehr zu freuen, zu optimistisch zu sein, aber vielleicht bin das auch nur ich. Ich, weil ich meine Erfahrungen habe und wir hart daran arbeiten, dass der Junior seinen Platz im Leben und in der Gesellschaft findet, der ihn vor allem glücklich macht.

Und letzte Woche war auf einmal der ganze Erfolg, die ganze Arbeit mit einem Mal scheinbar weg. Es tut auch nichts zur Sache, was passiert ist, sondern diese Ohnmacht versagt zu haben, sich verloren zu fühlen und ich habe einfach nur geweint. Wer auch immer behauptet, dass Tränen die Seele reinigen, also bei mir war es definitiv nicht so.

Aber keine Sorge dieser Beitrag wird kein Verzweiflungs-Alles-Furchtbar-Beitrag, und das liegt nicht nur daran, dass eigentlich eh alles nur halb so schlimm war, sondern daran, dass vor allem mein nicht neuro-typisches Kind meine Not gespürt hat, dass er über sich hinausgewachsen ist und meine Hand genommen hat, um mir zu zeigen, dass wir das schon schaffen.
Und gestern als ich mit den Therapeutinnen seiner kleinen Autistengruppe gesprochen haben, erzählten sie mir davon, dass der Bub O, der auch motorisch seine Schwierigkeiten hat, beim Aufstehen sich sehr schwer getan hat, aber niemanden etwas sagen wollte. Während die anderen Kinder ihr Picknick genossen, hat mein Kind beobachtet, wie unsicher O war. Er stand auf, hielt ihm die Hand hin und begleitete ihn einen Stück des Weges und ließ seine Hand los, als er merkte, dass er es jetzt alleine schafften. Beide Therapeutinnen waren gerührt, und ich glaube, wir hatten alle drei Tränen in den Augen. Er ist ein Jackpot sagte die Eine, der der ihnen zeigt, warum sie ihre Arbeit so gerne machen.

Er ist auch mein Jackpot und alles andere werden wir lernen, weil nicht nur Er die Sprache unserer Gesellschaft lernen muss, sondern auch ich, dass meine Welt viel zu oft kleine Schritte sieht, als die Riesensprünge, die wir alle leisten.

#329: Warteschleife

Es war einmal ein Unternehmen, da hatten wir unzählige Meetings dazu, dass das Service Level gehoben werden muss, Wartezeiten an Hotlines unter 5 Minuten sein sollen. Es war einmal und ist lange lange her. Ich hänge gerade seit 27:26 Minuten in der Warteschleife und höre, dass ich gleich an der Reihe bin.

Und während mir die Sprachsteuerung erklärt, dass ihnen die Gespräche wichtig sind, überlege ich, ob ich später anrufen soll, aber da auch mir mein Anliegen wichtig ist, bleibe ich in der Leitung, da es um Geld geht. Geld, dass mir abgebucht wird, obwohl ich seit bald 2 Monaten kein Kunde mehr bin. Also warte ich, mittlerweile 32:50 Minuten.

Es war einmal ein Unternehmen, dass dynamisch und schnell war. Eine wunderbare und großartige Zeit, die ich nicht missen möchte, aber diese Zeiten eindeutig sind lange vorbei.

… die A1 Hotline hat nach 39:05 abgehoben.

#328: Spam Emails die Zweite

Anscheinend bin ich gerade wieder in einem Datenkontingent gelandet, wo MBs dieser Welt für dumm verkauft werden sollen. Diesmal von Frau Agusta Phil, die mir in ihrer aller größten altruistischen Liebe zum Nächsten rd. 20 Prozent von 8 Mio Euro schenken will.

Daher auch über diesen Weg, wie auch direkt per Email meine Antwort:

Liebe Fr. Phil,

Sie haben die richtige Person für Ihre Schenkung auserwählt. Ich liebe nämlich Philosophie und Phil wird auch in unserem Jargon gerne als Abkürzung für Philosophie verwendet. Ich glaube, dass dies eine Fügung war und Sie einfach wußten, dass wir hier eine Gemeinsamkeit haben. Und sie machen es absolut richtig, schon Platon war der Meinung, dass zu viel Geld einem von seinem gerechten Weg wegführt. Somit bin ich Ihnen auch äußerst dankbar, dass Sie nur 20 % von 8 Millionen Euro (so viel ist es in meiner Währung umgerechnet) mir geben wollen.

1,6 Millionen Euro sind aber auf der anderen Seite vielleicht etwas zu wenig für die großartigen Dinge, die ich plane. Vielleicht könnten wir uns ja auch auf 1/4 oder 25 % einigen. Und ich schwöre Ihnen, dass ich diese Angelegenheiten komplett vertraulich behandeln werde. Wir wollen ja nicht, dass korrupte und unehrliche Menschen so Altruisten, wie Sie, einfach ausnutzen.

Darf ich Sie so unverschämt fragen, was sie für die restlichen 75 % geplant haben? Vielleicht kann ich Sie ja hier unterstützen, ich kann hier sehr kreativ sein. So will der Sohn von Freunden von uns gerne Künstler werden, und so eine Karriere zu fördern, kann doch sehr sinnvoll sein. Und ich würde dafür das Management übernehmen, wie auch das gespendete Geld verwalten, damit ja nichts passieren kann. Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es da einiges zu tun, wo ich Ihnen garantieren kann, dass Sie mit Ihrem Geld viel Freude schenken können.
Wenn ich Sie überzeugt habe, dann kommen Sie doch einfach nach Wien, am Flughafen holen Sie mit Sicherheit sehr nette Personen ab. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Sie sogar Schutzpersonen mit Uniform erwarten würden. Weil so viel Geld muss beschützt werden.

Ich freue mich von Ihnen zu hören,

….

Falls jemand auch Ideen für sinnvolle Projekte hat: Hier das Original Mail:

Hallo Freund, ich bin Frau Agusta Phil und ich habe Ihre E-Mail aus
dem Online-Verzeichnis. Ich möchte die Summe (£ 6,8 Millionen GBP)
für Sie für Wohltätigkeitsziele zu spenden. 20% der Mittel ist Ihr,
wenn Sie bereit sind, die Aufgabe zu implementieren. Wenn dieser
Vorschlag mit Ihnen in Ordnung ist und Sie nicht wollen, um mein
Vertrauen zu nutzen, bitte antworten Sie auf: agustaphil12@gmail.com
für weitere Details. Vielen Dank für Ihre Zeit und halten Sie es aus
Sicherheitsgründen vertraulich. Grüße, Frau Agusta Phil

#327: An alle Irinas dieser Welt

Ich habe gestern zum gefühlt Tausendsten Mal eine Email von einer willigen russischen (?) Frau erhalten, diesmal von Irina, dann hat mir auch schon Ivanka, Ivana und so weiter geschrieben.

Der Beginn ihrer Emails ist fast immer gleichbleibend:
„Hallo! Ich habe Deine E-Mail-Adresse durch Online-Dating gekriegt.
Erinnerst Du Dich an mich? Ich schicke Dir ein Fotografien von mir.
Was denkst Du ueber mich? Hat es Dir gefallen, wie ich aussehe? …“

In Zeiten von intelligenten Systemen, Hackern und Co verstehe ich nicht, warum ich als Frau eine mehr als eindeutig zweideutige Email erhalte. Ich nutze keine verklausulierte Emails, wie willig@ oder offenfür@, meine Email besteht aus meinem Namen, ganz spiessig und konservativ. Aber vielleicht ist auch Irina ein bißchen bi und Ivanka und Ivana auch. Ich hoffe nur für sie, dass im prüden Russland niemand über ihre ambivalenten Ambitionen Bescheid weiß.

Also liebe Irina, ich möchte Euch ein paar Tipps geben, wie es vielleicht bei dem Nächsten oder der Nächsten besser funktioniert:

1. Keine willentlichen und peinlichen Grammatik und Rechtschreibfehler: Ich schicke Dir ein Fotografien von mir … Du willst Geld von deinem Zukünftigen oder deiner Zukünftigen, somit ist vielleicht Naivität gut, aber Dummheit? Es reicht doch einfach zu schreiben ich schicke dir ein Foto oder Fotos.

2. Hat es Dir gefallen, wie ich aussehe? Wie würdest du dich fühlen, wenn ich sage Nein? Als Frau fragt man das nicht und wenn wir den ganzen Datingbibeln Glauben wollen, dann verschreckt das einen Mann. Weil was ist dann die nächste Frage? Findest Du, dass ich dick bin? Alleine diese Frage senkt die Antwortwahrscheinlichkeit auf gegen 0 %. Vor allem, das das beigefügte Foto viel zu wenig offenherzig ist, als dass es jetzt irgendjemanden aufgeilen könnte. Blond, Ostblock und zu viel angezogen.

3. Die Frage „erinnerst du dich an mich“ ähnelt sehr der „sehe ich gut aus“. Wer sich auf Datingplattformen herumtreibt und scheinbar nicht weiter kontaktiert wird, sollte sich fragen, ob die andere Person wirklich auf sie steht. Daher würde ein „erinnerst du dich an mich“ mir eher gruselig vorkommen.

Liebe Irinas und Co, es sind vielleicht nur kleine erste Hinweise, aber nehmt sie ernst. Oder vielleicht sollten sich die Hintermänner dieser Betrüger-Spam-Emails einfach einmal mit klassischem Direct Marketing beschäftigen. Aber vielleicht auch besser nicht.