Archiv der Kategorie: Freunde und Lifestyle

#353: Notiz an mich

Ich habe in letzter Zeit, geplant ungewollt, mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte hinter mich gebracht. Einerseits schon mal nicht lustig in Zeiten wie diesen, wo einem niemand besuchen kann, andererseits herrlich, dass niemand einem unterbricht, wenn man gerade einfach schlafen, lesen oder fernsehen will.

Aber ich schweife ab. Denn gleich nach dem ersten Mal, als ich im Stationsbereich darauf wartete mein Bett zu bekommen, wurde mir schlagartig bewußt, was alt und/oder krank sein bedeutete. Auch wenn auf dieser Station viele SchlaganfallspatientInnen oder PatientInnen mit Demenz und Folgeerkrankungen waren, und jede bzw jeder sein eigenes Schicksal zu verarbeiten hatten, so war es ernüchternd diese Hilflosigkeit und Bedürftigkeit zu sehen.

A B E R – auch wenn zum Leidwesen der Pfleger und Pflegerinnen – gab es ganz viele, die Widerstand gegen ihre Situation und nicht den Personen vor Ort leisteten. Zu versuchen aufzustehen, auch wenn es kontraproduktiv ist. Sich fortzubewegen, obwohl eingeschränkt durch Rollstuhl und Patienten um einen herum. Mit der Gabel zu essen, auch wenn der Löffel daneben liegt und durch die Schwester angeboten. Mir ist bewußt, dass es die Pflege und Krankenbetreuung nicht einfacher macht, aber es ist andererseits auch ein Akt zur Selbstbestimmung.

Und so habe ich mir gedanklich eine Liste gemacht, während ich so da saß und beboachtete.

  1. Pyjama. Immer den eigenen Pyjama mitnehmen und am besten gleich mehrere.
  2. Loungewear. Oder ganz einfach gemütliche Jogginghose. Wenn ich hübsche Pfleger oder Ärzte erwarte oder erhoffe, dann auch durchaus etwas stylishes oder witzig. Witzig geht immer, so habe ich vor Weihnachten meinen Last Christmas Sweater und mein Grinch T-Shirt miteingepackt und es zauberte ein Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers.
  3. Unterwäsche. AUSREICHEND, dass muss oder sollte ich nicht einmal erwähnen müssen, aber wer weiß, ob ich dass irgendwann dann noch weiß.
  4. Schlapfen. Patschen. Flip Flops. Sneaker. Der Weg zur Toilette, zu den Untersuchungen oder das Rundendrehen im Spital sollte mit geeignetem Material bewältigt werden.
  5. Beauty. Man muss weder stinken, noch schiach aussehen. Und wenn es mich glücklich macht, dann hau ich mir eine Maske rauf oder schmier mir was ins Gesicht. Also sich selbst zu pflegen ist auch eine Art sich selbst zu lieben und sich etwas Gutes zu tun, auch wenn es vielleicht gerade nicht gut läuft.
  6. Lesematerial. Auch Schund und Gossip Magazine gehören dazu, es entlüftet so schön mein Gehirn.
  7. Sonstiges. Angefangen von Kopfhörern, um die Welt um einen rundherum auszublenden bis hin zum Teebeutel (merke Melisse ist nicht so meins) ist alles erlaubt.

#352: Rosen erblühen in Malaga

Olé

Schon länger habe ich vor mich von meinem Vater auch schriftlich zu verabschieden und als ich letztens dieses Lied im Radio gehört habe, nahm ich Cindy und Bert zum Anlass meinen Erinnerungen Platz zu geben.

Überhaupt scheint es, dass mein Unterbewußtsein all‘ diesen alten Texte hervorgrabt, vor allem wenn es so scheint, als ob ich vom deutschen Schlager der 60er und 70er Jahre verfolgt würde. Psychologisch gesehen ist es einfach, mein Gehirn ist selektiv und nutzt die Möglichkeiten – im Auto switche ich immer wieder zu Radio Burgenland (!) und NÖ – die sich ihm bieten.

Memories of Heidelberg sind Memories of you und von dieser schönen Zeit, da träum ich immerzu. Mein Vater war leidenschaftlich, wenn es um Musik ging. Am Sonntag hörte er liebend gerne Marschmusik im Radio und wenn ich heute in der Stadt unterwegs bin und es der Zufall will, dass auch eine Marschkapelle spielt, bleibe ich stehen und höre zu.

Mein Vater hat es mir ermöglicht eine Breite an Musik kennenzulernen, die bei Glen Miller beginnt und nie zu Ende geht. Ich habe jetzt überlegt, wo ich ein Ende setzen wollte, sollte oder könnte, aber es gibt keines. Im Geiste gehe ich all‘ die hunderten Single Platte durch, die ich von ihm habe und auch dort ist alles wild durcheinander.

Er hatte immer erzählt, dass ich schon in der Krippe nur bei Musik aktiv geworden bin und vor allem La Paloma Blanca eines meiner Lieblingslieder war. Ich habe auch lange vorher getanzt bevor ich einen Schritt gegangen bin.

Väter sollten Helden sein und in diesem Fall war mein Vater mein MC Held.

Das er nicht überall ein Held war, ist einfach oft dem Leben geschuldet und vor allem außerhalb unserer (und ich meine die meines Bruders oder meiner) Reichweite und Möglichkeiten. Man liebt deswegen nicht weniger. Und die Traurigkeit manifestiert sich in Kleinigkeiten der Erinnerungen an meinen Papa. Und es sind diese Erinnerungen an denen ich auch festhalten mag. Schöne, lustige und absurde Erinnerungen, die einem ein inneres Lächeln geben.

Eine solche absurde Erinnerung steht jetzt auch in meinem Wohnzimmer. Ich habe es nicht über das Herz gebracht die Westminster Tischuhr wegzugeben. Schon meine Großmutter hatte so eine Uhr bei sich in der Wohnung stehen und mein Vater hat sich dann auch eine gekauft. Natürlich manuell aufzuziehen mit einem herrlichen Glockenwerk, welches jede viertel Stunde uns verkündet, dass eine viertel Stunde vergangen ist. Die Meinungen in meinem Haushalt sind geteilt und vor allem die Prinzessin ist am lautesten, wenn sie mir mitteilt, wie sehr sie diese Uhr haßt. Ich bin noch indifferent und habe meinem Bruder schon angedroht, dass diese Uhr irgendwann einfach bei ihm steht und er sie aufzuziehen hat. Und wenn die Uhr Glück hat, steht sie irgendwann dann beim Nachwuchs, weil es genau diese Erinnerungen sind, die bleiben und Geschichten erzählen.

In ewiger Erinnerung an meinen Master of Ceremonies.

#351: My home is my Castle

Ich habe von einigen gehört, dass sie die Zeit gerade dazu nutzen, um auszusortieren, zu putzen, es sich gemütlich zu machen. Wir erleben eine neue Biedermeierzeit und zwar auf vielen Ebenen.

Letztens erst wieder habe ich einen kritischen Blick durch mein Wohnzimmer streifen lassen, um einerseits in tiefste Verzweiflung zu verfallen und andererseits mich selbst zu bemitleiden, warum ich nicht ein Pinterest/Instagram Wohnzimmer haben kann, wo Decken schön gefaltet sind, um ordentlich auf dem bröselfreien Ohrensessel (leider hat mein Wohnzimmersessel keine Ohren, aber ich hätte halt so gerne einen gehabt) zu liegen, natürlich farblich abgestimmt. Der Wohnzimmertisch poliert und frei von jeglichem Unrat. Generell läge nichts Unnötiges im Wohnzimmer herum.

Wie man unschwer am Wort „läge“ erkennen kann, bin ich meilenweit von diesem Umstand entfert. Schulsachen, Gläser – ich wußte nicht, dass man so viele Gläser von leer bis halbvoll herumstehen lassen kann – Stifte und Kinder tummeln sich ständig in diesen vier Wänden. Mit den Kindern kommen auch die Dinge, die sie ständig vergessen, verlieren und weglegen. Dinge sind alles, was in 2 Hände, 2 Arme und Hosentaschen passen und das kann wirklich viel sein.

So hat die Prinzessin zwar kurze Haare, aber die letzten Tage finde ich ständig Spangerln, die am Boden, zwischen den Sesseln, am Tisch oder am Kasterl liegen. Weder Schreien, Nachtragen, Wegräumen oder gut Zureden meinerseits hat die Situation verbessert oder geändert. So liegt seit Tagen oder Wochen und schlimmstenfalls Monaten die Bluetooth Box im Wohnzimmer und hat wahrscheinlich nur wegen der Erosion der Staubanhäufung ihre Position verändert.

Letzten Freitag habe ich dann kurz einen Koller bekommen den Sohn im Arbeitszimmer Platz geschaffen, damit er alle seine Schulsachen geordnet und aufgeräumt dorthin platziert. Und man sehe und staune, heute Montag haben „nur“ die Biologiebücher ihren Weg ins Wohnzimmer gefunden, neben 2 Linealen und einem Spitzer.

Mein Plan für diese Woche ist, dass ich den Lautsprecher aktiviere und Disko im Vorgarten machen, lauthals mitsinge mit einem Glas in der Hand. Ich verordne mir außerdem selektives Sehen und ignoriere Pinterest und Instagram. Zumindest bis zum nächsten Koller.

#350: Kollateralschäden

Ich habe lange überlegt, was ich mit meiner Erfahrung von vor einer Woche anfangen sollte. Aber ich bin zu keiner für mich geeigneten Lösung gekommen, daher ist Schreiben wohl das Mittel der Wahl.

Mein Vater hat Krebs. Die Lunge weist ein paar Tumore auf und da diese zur Zeit nicht operabel sind und seine Gesamtkonstitution eher als schlecht einzuschätzen ist, ist auch eine Chemotherapie nicht möglich. Das heißt er wird bestrahlt. Heute Dienstag war seine vorläufig letzte Bestrahlung, um in 3 Monaten mittels eines Kontroll-CTs zu eruieren, wie erfolgreich oder nicht-erforlgeich die Bestrahlung war. Eigentlich wäre letzte Woche Freitag der letzte Termin gewesen und auch das Gespräch mit dem Arzt, wo mein Bruder und ich dabei sein hätten wollen. Aber wie so oft, kommt alles anders und vor allem als man denkt.

Vor einer Woche am Dienstag habe ich mit meinem Vater telefoniert, um zu hören, wie es heute bei der Bestrahlung war, ob er was braucht, ob Transport und Abholung auch gut funktioniert. Er hörte sich etwas erschöpft an, und erzählte mir, dass der Arzt festgestellt hat, dass er Wasser in der Lunge hätte und ob er Probleme mit dem Atmen hat. Wie immer hat er seine Situation herunterspielt und in einem Nebensatz erwähnt, dass er schon auf den Küchentisch einen Polster gelegt habe, da er im Liegen nicht richtig atmen könne. Nachdem ich auf ihm gesagt hatte, dass er mich bitte zu jeder Tages und Nachtzeit anrufen soll, war für ihn klar, dass er das schon alleine lösen könne.

Dem war nicht so und um kurz vor 9 Uhr abends bekam ich einen Hilfe-Anruf mit dem Satz: „Ich bekomme keine Luft!“ Also rief ich die Rettung und gab alle Informationen weiter, wie Krebspatient, Bestrahlung, Wasser in der Lunge, bei Atemnot dringend ins Spital, dringend!, schlechter Zustand, Lungen- und Herzkrank und natürlich Adresse. Ich zog mich noch schnell um – ich glaube im Bademantel wollte ich dann doch nicht hinauslaufen – lief zum Auto und fuhr wie eine gesenkte … in Richtung meines Vaters. Auch bei ihm sprintete ich zu ihm und fuhr in den 7ten Stock und war mehr als erstaunt, dass ich trotz guten 5 Minuten Verlust früher dort war. Insgesamt warteten wir dann noch weitere gute 5 Minuten als es endlich an der Gegensprechanlage läutete. Mein Vater schwankte am Stuhl gefährlich hin und her und ich versuchte ihn zu beruhigen.

Als der Sanitäter und Sanitäterin mir entgegen kamen, fragte ich die Beiden, wo den der Transport wäre, den ich habe ja am Telefon erklärt, was die Situation wäre. Als Antwort bekam ich, dass man sich das einmal ansehen müsse! Ernsthaft?

Nachdem das Atemfrequenz bei geschätzt – das erste Mal zeigte es nämlich nichts an – 60 % lag (oder darunter), wurde man etwas nervös. Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Moment erwähnt habe, dass er ins Spital müsse, da er Wasser in der Lunge hätte und nicht atmen könne. Das Wasser in der Lunge konnte der Sanitäter dann auch hören und die Befunde, die ich ihm gegeben habe, zeigten wohl den Ernst der Lage. Also rief man dann doch den Träger und die Notärztin – weil nur die sagen kann, dass ein Patient eingeliefert gehört. In der Zwischenzeit sind schon 20 Minuten vergangen. Gute 15 Minuten später ist die Notärztin da und bevor ich ihr zum gefühlt 100ste Male alles erzähle, bleibt sie an der Türe stehen, um zu fragen, ob der Patient Fieber habe – nein hat er nicht – und dann mich ansieht und fragt, ob wir einen Fall von Covid hätten und ob ich mir sicher wäre und überhaupt und außerdem. Was ich durchaus zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann, aber mir subjektiv emotional schwer tue, wenn mein Vater seit über 30 Minuten mit der Beatumungsmaschine nur atmen kann und er sich vor Schmerzen krümmt.

Da ich wohl glaubhaft bin, ging dann erstmals die Versorgung recht schnell, Venenzugang und Spritze über Spritze, die Beatmung funktioniert nur über das Gerät und ich beantworte Fragen über Fragen. Nur mein Hinweis, dass es wohl am klügsten und effizientesten (!) wäre meinen Vater ins SMZ Ost zu bringen, kommt wohl bei den anwesenden Personen an, aber nicht in der Leitstelle. Sie haben ein Überwachungsbett in KH Nord. Da im SMZ Ost keine Überwachungsbetten gäbe. Da werde ich wohl etwas ungemütlich und erkläre ihnen, dass das so nicht stimmt, da mein Vater schon letztes Jahre neben 2 Intensivstationsaufenthalten im SMZ Ost überwacht wurde. Ich bitte die Ärztin doch bitte anzurufen, weil es doch keinen Sinn macht, wenn er die Bestrahlung im SMZ Ost machen soll, warum sollte man ihn dann täglich von A nach B führen, wenn vor allem die komplette Krankengeschichte vor Ort liegt. Sie gibt mir Recht und beginnt zu telefonieren und überzeugt einen Arzt vor Ort meinen Vater aufzunehmen.

Mein Vater hat Glück, weil er hat meinen Bruder und mich, die Druck machen und da sind, Fragen stellen und versuchen zu hinterfragen. Wie groß wird der Kollateralschaden sein für das System, wenn wir all jene vergessen, die krank sind, krank werden (und ich meine nicht den Virus). Diesmal hatten wir nicht einmal das Problem, dass sie unser Vater schnell von der Station musste, weil es eh genug freie Betten gäbe (O-Ton).

Ich frage mich, warum die Rettung nicht schneller war als ich?

Ich frage mich, warum trotz genauer Angaben zur Situation des Patienten kein Arzt, kein Transport vorgesehen war?

Ich frage mich, warum ein Virus unser System so nachhaltig beeinflussen kann und alle anderen schweren Erkrankungen (Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Nieren, ….) so vernachlässigt werden.

Ich frage mich, ob ich die Antworten ehrlich wissen will?

#349: der blade Zombie – die Bekämpfung der Zombie-Apokalypse

Ich frage mich, ob Zombies zunehmen können? Raj – aus Big Bang Theory – stellte ja einmal die Frage, ob Zombies verhungern können. Es läuft ständig jemand herum und ist auf der Suche nach Essen, sogar der Hund ist der ständige Begleiter in der Hoffnung, dass etwas auf den Boden fällt.

Ich koche ja gerne und zu meinem Überdruß nutze ich jetzt die Zeit auch noch dazu, um zu backen. All‘ die Sachen, die ich immer einmal machen wollte. Letztens sogar eine Osterpinze und Brot, Weißbrot und Sauerteigbrot. Und ich liebe ja Brot. Ich glaube ja, dass das an meinen Balkangenen liegt. Da ist man auch Brot zu allem und jedem.

Meine Mama hat manchmal Weißbrot gemacht und da habe ich gelernt, dass frisches warmes Brot das Beste ist, was es gibt. Vor allem, wenn man die Kruste bricht und es so herrlich frisch nach Germ duftet. Aber ich habe auch gelernt, wobei gelernt ist nicht das richtige Wort dafür, eher ich bin ermahnt worden, dass warmes Brot Bauchweh verursacht.

Damals wie heute ignoriere ich solche Unkenrufe, Binsenweisheiten oder Legenden (denke man an das Herunterschlucken von Kaugummis). Von der Osterpinze hat noch nicht einmal ein Stück den nächsten Tag überlebt, das Brot war auch immer fast am gleichen Tag weg und es war herrlich. Ich glaube ja nicht, dass ich Bauchweh deswegen hatte. Die Hypothesen sind breit gefächert und müßten wissenschaftlich untersucht werden.

Also heißt es weiterbacken. Zu Ostern bietet sich hier ein Kärtner Reindling an, dann steht ein Nugat-Marzipan Kuchen am Plan, selbstgemachte Pizzen (Mehrzahl deswegen, weil man auch ausprobieren muss, was gut ist), Brote und was mir noch so über den Weg läuft.

Also nein, Zombies können nicht verhungern, aber ich glaube schon, dass sie blad werden.

#347: Lauf Baby Lauf

Zumindest habe ich mir das heute gedacht und voller Euphorie (mehr oder weniger, eher weniger) meine Laufschuhe angeschnallt, um die fehlende Bewegung auszugleichen. Und ich war wirklich motiviert, hatte nämlich schlechte Laune, ob der Lernsituation, dem Eingesperrtsein und der zu hohen Kalorienzunahme. Außerdem ging ich von einer vollkommen verzerrten Wirklichkeit aus, dass ich durch meinen Hund und der täglichen Bewegung absolut fit wäre, meine Kondition den roten Gürtel widerspiegelt und ich gestärkt nach ein paar Kilometer retour käme.

Die Musik im Ohr und die Sonne im Gesicht ging es zumindest einmal durch den Hof und Richtung der ersten 100 m, dann spürte ich schon den ersten Krampf oder Muskelzwicken in den Beinen. Die Säure in meinen Beinen macht einmal meine Laufambitionen langsamer, aber ich hatte zumindest genügend Luft zum Atmen und so bin ich verbissen weiter.

Natürlich habe ich versucht einen Blick auf meine Laufuhr von Garmin zu erhaschen und mein Puls war in einem guten Bereich, während die Zeit aus dem Blickwinkel nur falsch sein musste. Also schüttelte ich die Uhr – vielleicht blieb ja ein Zeiger auch in der digitalen Welt hängen – und wartete auf den ersten Kilometer. Erschüttert, ob der schlechten Leistung versuche ich das Tempo zu erhöhen, um es gleich wieder zu drosseln. Zwar sind die Beine warm, aber der Schweiß scheint meine Atemfrequenz zu erhöhen.

Also suche ich mir ein anderes Lied. Gefühlte 5 Lieder weiter bin ich bei den Black Eyed Peas gelandet und pumpe nochmals meine Lungen zu Pump it auf. Und es funktioniert, ich werde zumindest um 10 Sekunden auf den Kilometer schneller. Das motiviert und ich beginne zu den Liedern mitzusingen.

*Memo an mich selbst* Bist du außer Form singe nicht mit beim Laufen.

Ich werde wieder langsamer. An der alten Donau sehe ich viele Läufer und ich scheine so sportlich auszusehen, dass mir manche zuwinken (vielleicht haben sie aber auch nur Mitleid und wollen mich motivieren). Ich geniesse es, wie die Sonne in mein Gesicht scheint und erreiche Kilometer 3 und gleichzeitig Udo Jürgens mit „Immer wieder geht die Sonne auf“. Ich frage mich gerade, ob das Lied mich motivieren soll in Zeiten von COVID oder Laufen. Ich bin mir nicht sicher.

Ich mache eine Kehrtwende und laufe nochmals 2 Kilometer und merke, wie ich im 200 Meter Rythmus immer wieder auf die Uhr schaue. Es geht nicht schneller, was definitiv an mir liegt. Wobei der vierte Kilometer ist definitiv mein Schnellster, wieder 10 Sekunden schneller, was sich sofort in Seitenstechen bemerkbar macht. George Harrison mit My sweet Lord ist hier das passende Lied und ich frage mich einerseits, welcher Teufel mich geritten hat, dieses Lied in meine Playlist zu geben und warum beim Shuffeln genau dieses Lied kommt; welche versteckte Botschaft steckt dahinter.

Nach 5 Kilometern bin ich noch nicht daheim und da ich definitiv nicht weiterlaufen will, ersetze ich Laufen mit anderen Übungen, um quasi diese letzten Kilometer effektiv zu nutzen. Also wenn jemand jemanden hopsend, Knie in die Höh‘ springend, Ferse an den Po drückend und mit weiten Schritten und in die Knie gehend gehen sah, dann war das ich.

Zu Hause habe ich mich dann einmal selbstbemitleidet. Einer Freundin von meiner Heldentat erzählt, die das nämlich als Heldentat gesehen hat. Danke übrigens dafür.

#346: Il fornaio da Stefano in Beausoleil

Wenn man an die Cote d’Azur reist, wollen viele die Reichen und Schönen sehen. Yachten, Lamborghinis, Silikonbrüste, Hyalloronlippen, Extensions und hautenge (nicht immer optimal sitzende) Glitzerflitzer – all‘ das waren amüsante Nebenprodukte unserer Must-sees and To-Dos.

Ich habe meinen Chagall gesehen, Miro ebenfalls und auch Matisse. Bin durch die Lavendelfelder gegangen und habe Olivenöl verkostet und die Sonnenblumen van Goghs einzufangen. Bin auf den Plätzen der Päpste gewandert und habe arabische, italienische und gotische Einflüsse in der Architektur bewundert.

Man muss sich nicht dem schönen Schein folgen, sondern sich in kleinen Gassen auch in St. Tropez verlieren und dort mit den Einheimischen auf kleinen Plätzen mit ein paar Tischen den lauen Abend geniessen.

Geniessen ist ganz einfach in der Provence und gutes Essen zu finden eigentlich auch. Aber eines meiner persönlichen Highlights war das Il fornaio von Stefano. Beausoleil heißt die Ortschaft, die oberhalb von Monaco liegt. Oberhalb bedeutet, dass geht man ein paar Hundert Meter weiter und ein paar Stiegen hinunter ist man schon nicht mehr in Frankreich, sondern in Monte Carlo. Ein fliessender Übergang und nur die Änderung des Mobilfunknetzes weißt einem daraufhin, dass man im Land der niedrigen Steuersätze ist, im Land des Piraten- bzw. Raubritterfürsten (natürlich nur geschichtlich gesehen) und der Luxusautos, die im Kreis fahren.

Das Il fornaio ist ein Feinkostladen mit ein paar Tischen drinnen und welchen auf dem Gehsteig. Der Besitzer und Chef Stefano ist Italiener und Chefkoch und führt dieses entzückende Restaurant mit seiner Frau Victoria. Nicht nur, dass die Produkte sensationell und qualitativ hochwertig sind, werden sie auch vom Chef mit viel Liebe und Leidenschaft zu bereitet. Und es gibt guten Kaffee, nämlich wirklich guten Kaffee, etwas was die Südfranzosen, trotz ihrer Nähe zu Italien nämlich nicht können. Und Stefano hat sich Zeit genommen, um mit uns zu plaudern, dem Hund nicht nur Wasser anzubieten, sondern auch Ragu, und dem Junior Rede und Antwort zu stehen, welche Autos er nämlich schon gesehen hat. Es war, wie ein Ankommen bei Freunden, obwohl wir das erste Mal dort waren.

Jederzeit wieder.

https://www.ilfornaiobeausoleil.com/

#343: Zombie-Apokalypse oder Lagerkoller Teil 1

Am ersten Tag der verordneten Quarantäne sind der Junior und ich am Laptop gesessen, um alle Lernunterlagen, Aufgaben und Unterlagen herunterzuladen. Am meisten hat dem Junior gefallen, dass er jetzt am Laptop mit Kindern und Lehrern digitale Nachrichten austauschen konnte.

Wir haben auch den Rucksack und das Stoffsackerl mit den ganzen Heften und Mappen ausgeleert. Obwohl ich wohl Altpapier-Sammelstelle sagen sollte, weil so viele zerknüllte Zettel und Mitschriften finde ich meistens gegen Ende eines Semestern. Er meinte, dass er Streß hatte schnell alles zusammenzufinden. Ich hatte Streß nicht zu laut zu werden, und meinen Ärger zu offensiv zu zeigen (es war ja erst der erste Tag und wohin sollte das führen). Ich bin daran gescheitert.

Also faltete, kopierte ich und lud alle relevanten Daten herunter, um diese mit dem Junior zu sortieren. Dann haben wir eine To-Do Liste gemacht und einen Wochenplan. Ich gebe zu, alleine das Wort To-Do Liste und Plan haben eine äußerst abschreckende Wirkung auf mich. Sie sorgt für Kurzatmigkeit und vollkommene Unwilligkeit. Etwas was ich natürlich nicht dem Junior zeigen kann, weil es ist ja so wichtig, dass er alles rechtzeitg und den Vorgaben entsprechend abgeben kann. Mich selbst zu organiseren ist ein chaotisch kreativer Prozess und durchaus eine Herausforderung für meine Umgebung.

KOCHEN, verdammt KOCHEN hatte ich fast vergessen. Jetzt wo alle zu Hause sind, ändert sich auch diese Routine. Aber es gibt Nudeln – und zwar die, die ich eh schon zu Hause hatte und ich habe immer viel Nudeln zu Hause, weil der Junior Penna e olio, Linguini e olio, Spaghetti e olio meistens ißt.

Ich gehe die Aufgaben durch und stelle fest, dass das wirklich viel ist. Es sind drei Wochen, das ist mir bewußt, aber trotzdem muss ich meinem Kind den Unterschied zwischen einem Relativpronomen und Demonstrativpronomen erklären, vor allem, weil er es (lt. ihm) noch nicht gelernt hat. Was mir wirklich den Pulsschlag ausschlagen läßt, ist das er Goethes Gedicht „Der Zauberlehrling“ und Schillers „Ring des Polykrates“ auswendig lernen muss. Der Junior ist in der ersten Klassen eines Gymnasiums! Meine Prinzessin begann mit vielen dieser Gedichte in der dritten Klasse eines Gymnasiums, die durchaus hohe Ansprüche an ihre SchülerInnen hatte.

Aber ich verwehre mich gegen stures Auswendiglernen ohne das Gelesene zu verstehen, interpretieren zu können, zu verstehen, warum und was geschrieben steht. Durchatmen ist die Devise und den Junior motivieren, ganz einfach neben Job und pubertierender Prinzessin, die mich immer wieder gerne in ihrer emotionalen Achterbahnfahrt mitnimmt.

Das Glück war, dass obwohl ich sie immer wieder herunterief, um zu fragen, wie es bei ihr läuft, ich nur selten wirklich angsprochen wurde. Die Kommunikation zu ihr lief recht einseitung und kurz, mit „gleich, nein, gleich, ok, gleich, nein, gleich …“. Dafür ist sie umso kommunikativer mit ihren FreundInnen, die über Houseparty (sie war ganz begeistert, dass sie schon vor 3 Jahren diese App hatte, aber jetzt ist sie wirklich cool) miteinander reden, lachen und sich austauschen, während nebenbei irgendwelche Filme laufen, der Laptop für Schulsachen aufgeklappt ist.

Es wird abends und bin so erschöpft und lese kurz in der sozialen digitalen Welt, was wir jetzt nicht alles machen könnten. Yoga, Bücher lesen, zum Malen beginnen, Frühjahrsputz uvm und ich frage mich, was ich jetzt wertvolles für mich tun kann, ein Glas Wein trinken oder schlafen gehen. Ich entscheide mich für letzteres.

#338: 1 1/2 Monate sozialtot

Vor 1 1/2 Monaten kam ich am Sonntag nach Hause und erlebte meine Tochter – bald 14 – aufgelöst und voller Zorn, wie sie auf ihrem Handy herumtippte und wischte, wenn man das den so bei einem Smartphone sagen kann. Auf meine Frage, was den los wäre, kam nur ein Schnauben und ein hervorgepresstes „Ich lösche alle Social Media Apps, A L L E S !“

Ich gebe es zu, ich habe es nicht ganz ernst genommen und fragte nur, was den jetzt schon wieder passiert wäre. Weil in letzter Zeit gab es immer wieder Stress, weil sie (meine Prinzessin) nicht irgendein Bild geliked, markiert, kommentiert oder gepriesen hätte. „Warum setzt du keine Herzerl unter mein Bild? Hast du mein Bild nicht gesehen? Ich posiere wie die Stars, warum hat die S. trotzdem mehr Follower?“ Vor allem die Umfragen waren immer unterhaltsam „Findest du mich hübsch?“ mit den Antwortmöglichkeiten „JA“ und „JA sehr“, ist somit das Ja das neue Nein?

Und die Flammen sind sowieso das Non-Plus-Ultra bei SnapChat, die Kids fühlen sich gezwungen täglich Bilderchen zu schicken, damit sie die Flammen nicht verlieren, die sie untereinander sammeln, täglich und alle 12 Stunden notwendig (lt. den Kids). Die Prinzessin hatte einmal um die 200 Flammen mit einer Freundin, dh. täglich 200 Tage lang (damals war der Rhythmus noch mit 24 Std. von Snapchat vorgegeben) zumindest einen Snap. Und dann ist man krank (zumindest so, dass man kein Handy bedienen kann), hat keine Lust, Durchfall (ok, das hält niemanden ab, es gibt ja auch WLAN am Klo), … und alles ist weg. Jede einzelne Flamme, 200 unwichtige Nichtigkeiten umsonst verschickt.

Und wir wundern uns, dass die Informationsaufnahme beschränkt ist, woher soll noch jemand wissen, was wirklich wichtig ist, wenn Flammen das um-und-auf sind.

So viele Kleinigkeiten die für die Prinzessin mehr Stress bedeuteten, als Spaß oder Lust mit anderen etwas zu teilen. Und somit dauerte es einen ganzen Sonntag, um jedes einzelne Bild auf Instagram zu löschen, jeden Abonnenten, jedes Abonnement zu entfernen. Apps zu deinstallieren und sein Handy clean zu bekommen. Und jetzt ist sie seit 1 1/2 Monaten sozialtot. Die Prinzessin kannte nicht einmal den Ausdruck sozialtot, bevor mein Bruder – der auch sozialtot ist – es ihr erklärte.

Gestern haben wir darüber gesprochen, wie es ihr so geht, ohne diese Medien und sie meinte, dass es am Anfang schon schwer war und sie das Gefühl hatte, etwas fehle ihr oder sie würde sogar etwas verpassen. Aber mittlerweile ist es kein Problem mehr, im Gegenteil sie meinte, dass Freundinnen oder auch manche Klassenkolleginnen jetzt wieder persönlich auf sie zukommen und viel mehr geredet wird. (Wie erschreckend, dachte ich nur.)

Ich bin wahnsinnig stolz auf sie und es ist mir auch nicht wichtig, ob sie morgen oder heute wieder alles aktivieren würde, wenn es ihr Wunsch wäre. Vielmehr hat es ihr Bewusstsein im Umgang mit sozialen und digitalen Medien geschärft und ihren Blickwinkel verändert.

#337: Dorfer „und …“

Ich gebe es zu, ich war und bin seit jeher eine begeisterte Zuhörerin des Alfred Dorfers. Bissig, zynisch, pointiert politisch und durchaus auch flach unterhaltsam, aber vor allem ein bisserl böse.

Im neuen Kabarettprogramm findet man von allem ein wenig, wobei das Politische ist nur in den Zwischentönen hörbar, auch wenn Dorfer einmal zornig meint, dass wir uns endlich von dem Links-Rechts Geschwafel lösen sollen. Es geht nämlich nicht darum WER was sagt, sondern Wer Was sagt. Überhaupt war sein jetziges Programm philosophisch bestückt, da er neben Descartes auch Platon mit seinem Höhlengleichnis bemüht. Man merkt, dass sein Zorn den Sophisten gehört, den Halbintellektuellen, die „alles“ wissen und somit auch „alles“ kommentieren können, vor allem, wenn es eine Studie belegt, oder der intellektuelle Boulevard (der Standard) so schreibt.

Die Prinzessin war auch erstmals in einem Kabarett und trotzdem sie eigentlich sich zwangsbeglückt fühlte, hat ihr ihr erster Ausflug in die zynisch-böse Welt des Wiener Kabaretts gut gefallen. Etwas ertappt fühlte sie sich wohl beim deutschen Migranten, der von hoch gehen (nach oben gehen) spricht. Auch der Bleistift-bestückte Vortragende versus dem Power-Point-Bildzeiger hat sich nachdenklich gestimmt, da es schon seit Jahren in ihrer Klasse üblich ist, jegliches Referat, jegliche Präsentation oder jede „ich-mach-mich-wichtig“ Buch-Personen-Ereignis-Vorstellung durch animierte Bildschirmpräsentationen (und wenn ich animiert sage, meine ich animiert, da hüpft jeder Bullet-Point ins Bild) zu machen. Als wir dann nach Hause gingen, meinte sie, dass es wohl doch eine gute Idee von uns war, sie mitzunehmen.