Wenn Eltern krank werden, dann ist das eine Umkehr der Sorge- und Fürsorgezustands. Was unsere Eltern für uns Kinder und Erwachsene waren, werden wir umgekehrt für sie. Und ich bin froh, dass diese Situation bei mir in meinem Elternhaus noch „relativ“ normal ist, weil was ist schon normal bei einem Vater, dessen Zuckerspiegel seit Jahrzehnten nicht durch Ärzte einstellbar ist, aber wir können alle ganz gut – auch manchmal besser – damit umgehen. Und doch bin ich zur Zeit mit Alzheimer in der Familie konfrontiert – wenn auch nicht direkt emotional so betroffen. Und Alzheimer ist vor allem für die Angehörigen viel schwerer zu ertragen und zu verkraften, als für die oder den Erkrankten selbst. Nichts ist mehr selbstverständlich, und von Erinnerungen will ich hier gar nicht sprechen, sondern von ganz banalen Tätigkeiten, wie dem selbständigen Trinken und Essen, dem Wollen und Tun von Dingen, die nie hinterfragt werden mussten.
Was bleibt ist die gemeinsame Vergangenheit, die Erinnerungen (gut wie auch schlecht) und das, was Einen selbst größer und stärker gemacht hat. In der Diskussion, ob und wie ich jemanden klar machen kann, dass Hilfe angenommen werden muss, kam eine mich sehr nachdenklich stimmende Meldung „Ich weiß nicht, ob ich es wahrhaben wollte nach 40 Jahren (oder mehr), dass die Person nicht mehr existiert. Ich glaube nicht.“. Ich wüsste selbst nicht, wie ich handeln würde, was in dem Moment richtig oder falsch ist. Alles was jetzt rational und klar vor mir liegt, ist dann getrübt durch den Verlust, der unweigerlich kommen würde.
Aber diese ganze Situation hat dazu geführt, dass mein Bruder und ich uns einig sind, dass wir gemeinsam – und nicht gegeneinander – versuchen müssten, die beste Lösung für einen oder beide Elternteil/e zu finden, wenn es den jemals so weit käme. Außerdem haben wir vereinbart, dass er nicht vor mir gehen darf (ich hoffe, er hält sich daran), da ich dann mit 80 gerne noch neben meinem 72 jährigen Bruder sitzen möchte, auf einem Parkbankerl und wichtig politsierend (in Andenken an unseren Papa). Aber wer weiß, vielleicht hält er dann auch nur einfach meine Hand, weil ich nichts mehr weiß, ausser, dass diese Hand mir so viel Vertrauen und Liebe in dieser Situation gibt, und somit die Spur in meinem Gedächtnis einfach nur tiefer macht.